Die Digitale Kunsthalle von ZDFkultur, Außenansicht

Gerhard Richter. Auftragsbildnisse

Ein zentraler Grundgedanke der Kunst der Moderne und der Avantgarden des 20. Jahrhunderts ist ihr Anspruch auf gestalterische Freiheit, Autonomie und Unabhängigkeit gegenüber jeglichen, an sie herangetragenen externen Ansprüchen. Bildnisse, die als Auftragsarbeiten von Sammlern und anderen Interessenten entstanden, sind deshalb die große Ausnahme im Œuvre zeitgenössischer Künstler. In den Auftragsbildnissen kehrt sich das Verhältnis von Künstler und Kunde um. Der Künstler ist nicht frei in der Wahl von Sujet und Motiv, sondern erfüllt die Portraitwünsche seines Auftraggebers. Er gibt damit einen wesentlichen Teil seiner künstlerischen Freiheit und seiner Selbstbestimmtheit zugunsten einer finanziellen Sicherheit auf.

  • Laufzeit 13.02.2019—30.04.2019

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Gerhard Richter hatte 1962 begonnen, Bilder nach vorgefundenen Fotografien in Familienalben und nach Reproduktionen aus Zeitungen und Illustrierten zu malen. Dabei übernahm er nicht nur das Schwarzweiß der Bildvorlagen, sondern verwies durch mitgemalte weiße Randstreifen oder Textfragmente auch auf die Quellen seiner Werke. Anonyme Figurendarstellungen, Familienbildnisse, Architekturen, Landschaften und banale Alltagsobjekte sind in den Jahren bis 1968 Richters bevorzugte Motive. In diese Themenwelt fügen sich die Auftragsportraits perfekt ein, da sie seine Gemälde nach den, in privaten Familienalben gesammelten Fotos ideal ergänzen. Durch die Verwendung fotografischer Vorlagen, entging Richter der Versuchung einer Charakterisierung oder Emotionalisierung seiner Modelle, wie sie die traditionelle Portraitmalerei einforderte.

Ausstellungsansicht "Gerhard Richter. Auftragsbildnisse" in der Digitale Kunsthalle von ZDFkultur

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In einem Interview formulierte Richter 1966 die Prämissen für seine Portraits wie folgt:

Ich glaube, dass ein Maler das Modell gar nicht sehen und kennen muss, dass nichts von der ‚Seele‘, dem Wesen, dem Charakter des Modells zum Ausdruck gebracht werden soll. Ein Maler soll ein Modell auch nicht in einer bestimmten persönlichen Weise ‚sehen‘, denn ein Portrait kann einem Modell nicht ähnlicher sein, als wenn es sehr ähnlich ist. Es ist auch deshalb viel besser, ein Portrait nach einem Foto zu malen, weil man ja doch nicht einen bestimmten Menschen malen kann, sondern immer nur ein Bild, das mit dem Modell aber auch gar nichts gemeinsam hat. Die Ähnlichkeit mit dem Modell bei einem von mir gemalten Portrait ist nicht nur eine scheinbare und unbeabsichtigte, sondern sie ist auch ganz nutzlos.

 

 

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Konsequent verzichtete Richter darauf, nach dem lebenden Modell zu malen, um seine fotografischen Vorlagen stattdessen stur abzukupfern, wie er sich in einem Brief vom 6. Oktober 1964 an seinen Münchener Galeristen Heiner Friedrich ausdrückte: „Sitzungen nicht (nie! da nur störend) notwendig“.

Die Digitale Kunsthalle von ZDFkultur, Außenansicht

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Für Gerhard Richter bildeten die im Kundenauftrag entstandenen Portraits eine willkommene Ausweitung seines Motivrepertoires. Der Vorschlag Sammler dafür zu gewinnen, sich von dem jungen Maler portraitieren zu lassen, kam im Sommer 1964 von Richters Düsseldorfer Galeristen Alfred Schmela (1918-1980). Noch vor ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung (9.-30.9.1964) ließ Schmela sein eigenes Portrait von Richter als Musterbild für eventuelle Kunden malen. Die Portraits von Dr. Knobloch, Schniewind, Klinker sowie mindestens vier weitere konnte Schmela in den Jahren 1964 und 1965 vermitteln, für die der Künstler Honorare zwischen DM 100.- und 700.- erhielt. Obwohl Richter noch zahlreiche weitere Aufträge erfüllte, äußerte er bereits am 17. Dezember 1964 in einem Brief an Heiner Friedrich Bedenken: „Wenn ich mal im Lotto gewinne, mache ich sowas überhaupt nicht mehr, oder verlange 10.000.- für ein Portrait.“

© Gerhard Richter 2019 (13022019)
Gerhard Richter, Portrait Dr. Knobloch

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Heute befindet sich nur noch ein einziges der hier ausgestellten Portraits im Besitz seiner Auftraggeber. Alle anderen Werke wurden inzwischen verkauft. Lediglich drei Bilder, die Portraits von Dr. Knobloch, Klinker und der Familie Wende sind in Museen öffentlich zugänglich. Insofern bietet die Ausstellung in der Digitalen Kunsthalle die einmalige Gelegenheit, diese Bilder noch einmal gemeinsam zu betrachten und einen vertiefenden Einblick in eine von Gerhard Richters frühen, bislang unbeachteten Werkgruppen zu erhalten. 

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